Der Armlehnstuhl B 34 von Marcel Breuer – Ikone der Moderne
Der Armlehnstuhl B 34, entworfen um 1928 von Marcel Breuer, zählt zu den einflussreichsten Möbelstücken der Moderne und verkörpert exemplarisch die gestalterischen Prinzipien des Bauhauses. Breuer, selbst einst Schüler und später Lehrer am Bauhaus, hatte sich bereits zuvor mit innovativen Materialien und industriellen Fertigungstechniken auseinandergesetzt. Der B 34 entstand im Kontext seiner Zusammenarbeit mit der Firma Thonet, die seine Entwürfe erfolgreich in Serie produzierte und vermarktete.
Funktionalismus trifft auf neue Materialien
Kennzeichnend für den B 34 ist sein freischwingender Aufbau, der erstmals auf den Verzicht hinterer Stuhlbeine setzte. Das Gestell besteht aus einem einzigen, durchgehenden Stück verchromten Stahlrohrs, das sich in einer dynamischen Linie vom Boden über die Armlehnen bis zur Rückenlehne zieht. Die Sitz- und Rückenflächen sind mit textilem Gewebe bespannt, wodurch eine elegante Leichtigkeit entsteht, die dem Volumen des Stuhls entgegenwirkt. Breuer hatte das Potenzial von Stahlrohr früh erkannt – beeinflusst von der Leichtigkeit und Beweglichkeit des Fahrradrahmens. Er sah darin ein Material, das nicht nur industriell reproduzierbar, sondern auch hygienisch, ästhetisch reduziert und zeitgemäß war.
Der B 34 ist damit nicht nur ein Möbelstück, sondern Ausdruck einer neuen Gestaltungshaltung, die industrielle Formgebung mit sozialem Anspruch verband.
Der B 34 gilt heute als ein Meilenstein des modernen Möbeldesigns. Er war stilbildend für eine ganze Generation von Designern und Architekten, nicht zuletzt auch, weil er eine klare Brücke schlug zwischen avantgardistischem Kunstverständnis und industrieller Massenproduktion. In den Wohnräumen der Neuen Sachlichkeit, in modernen Büros oder auch in Museen rund um den Globus – der B 34 behauptet bis heute seine Gültigkeit. Er steht exemplarisch für das Bestreben des Bauhauses, die Kunst ins Leben zu bringen, und erinnert an eine Zeit, in der Gestaltung ein Mittel war, die Gesellschaft zu reformieren. Der B 34 ist damit nicht nur ein Stuhl, sondern ein Manifest der Moderne in Stahlrohrform.
Ästhetik des Reduktionismus
Im Sinne des Bauhaus-Leitgedankens „Form folgt Funktion“ verzichtet der B 34 auf ornamentale Überflüssigkeit. Die Konstruktion bleibt sichtbar, das Design offenbart seine Funktionalität. Dennoch vermittelt der Stuhl nicht etwa Kälte, sondern durch seine schwingende Struktur auch eine gewisse Beweglichkeit und Komfort – ein subtiler Bruch mit der Strenge der klassischen Moderne.
Eisengarn – Industrielles Material mit gestalterischer Strahlkraft
Eisengarn ist ein hochfestes, stark glänzendes Baumwollgarn, das durch eine spezielle Verarbeitungstechnik hergestellt wird: Die Baumwollfasern werden mit Stärke und Wachs imprägniert, anschließend maschinell geglättet und verzwirnt. Das Ergebnis ist ein extrem reißfestes, widerstandsfähiges und langlebiges Garn mit metallischem Glanz – daher der Name „Eisengarn“. Die Technik zur Herstellung von Eisengarn existierte bereits im 19. Jahrhundert, doch seine gestalterische Entfaltung fand erst im 20. Jahrhundert, insbesondere durch das Bauhaus, eine neue Bedeutung.
Einsatz im Bauhaus-Kontext
Am Bauhaus, insbesondere in der Weberei-Werkstatt, wurde Eisengarn gezielt weiterentwickelt und gestalterisch genutzt. Eine zentrale Figur war Gunta Stölzl, die als Meisterin der Textilwerkstatt maßgeblich dazu beitrug, dass Eisengarn in neuen Webtechniken und Farbgestaltungen erprobt und eingesetzt wurde. Die Kombination aus technischer Funktionalität und ästhetischer Qualität entsprach ideal dem Bauhaus-Ideal einer Verbindung von Kunst, Handwerk und Industrie.
Eisengarn bei Marcel Breuer
In Marcel Breuers Stahlrohrmöbeln – darunter auch beim B 34 – wurde Eisengarn häufig für die Sitz- und Rückenflächen verwendet. Besonders in frühen Varianten des Stuhls wurde das Garn als Bespannungsmaterial eingesetzt. Seine Vorteile lagen auf der Hand:
- Robustheit: Beständig gegen Abrieb und Dehnung, ideal für den alltäglichen Gebrauch.
- Leichtigkeit: Unterstützte die gewünschte optische Transparenz und Materialreduktion.
- Glanz und Farbe: Eisengarn ließ sich in kräftigen Farben herstellen, was zur typischen Farbigkeit der Bauhaus-Ästhetik passte.
Damit passte Eisengarn sowohl funktional als auch formal perfekt zur reduzierten Formensprache des Bauhauses und war Ausdruck einer neuen, modernen Materialkultur.
Fazit
Eisengarn ist mehr als nur ein Textilmaterial – es ist ein Symbol für die moderne, industrielle Gestaltung im 20. Jahrhundert. Im Zusammenspiel mit Stahlrohrmöbeln wie Breuers B 34 wird es Teil einer Ästhetik, die Klarheit, Rationalität und Innovation in den Mittelpunkt stellt. Es zeigt, wie Materialien mit technischer Herkunft durch gestalterische Transformation zum Träger einer neuen Designphilosophie werden konnten.